Bingen in den USA: |
Ein interessanter Bericht aus der Allgemeinen Zeitung vom 9.Januar 2001: |
Von Friedhelm Rathjen
BINGEN/HUSUM - Von Husum nach Bingen sind es genau elf Kilometer, und die beiden
Orte haben sogar die selbe Telefonvorwahl. Das klingt erstaunlich, ist aber wahr. Wenn wir
dann noch verraten, dass das zuständige Verwaltungszentrum in einem Städtchen
namens "White Salmon" sitzt, dürfte die Sache etwas klarer werden. Wir sind
weder am Rhein noch in Nordfriesland; wir sind in Amerika. Noch genauer: wir sind im Staate
Washington unterwegs, im äußersten Nordwesten der USA, unweit der Grenze zu
Oregon.
Grenzfluss ist der "Columbia River", und wenn wir an dem entlang gen Bingen
fahren, kommt uns die Szenerie bekannt vor. Zu beiden Seiten winden sich je eine
Schnellstraße und eine Bahnstrecke an dem mäandernden Fluss entlang, der von
steilen Berghängen begleitet wird. Vielfach sind diese Hänge kahl oder locker
bewaldet, doch dazwischen wird Obstbau betrieben. Äpfel und Birnen werden angebaut
und tatsächlich finden sich schließlich auch Weinreben am "Mont Elise
Vineyard".
Warum das Städtchen hier Bingen heißt, ist schnell klar, denn die Lage
gleicht der Namensvetterin am Rhein fast aufs Haar. Nur der Ort selbst mit seiner
ausufernden Bebauung ist ganz und gar amerikanisch, daran kann auch die Tatsache nichts
ändern, dass die Hauptstraße nach dem deutschstämmigen General Steuben
benannt wurde und der hässliche Supermarkt am Ort, den leicht verunglückte
deutschsprachige Namen "Der Bingen Superette" trägt. Dieses amerikanische Bingen ist ein beliebter Treffpunkt für Windsurfer, die im "Columbia" ein ideales Revier vorfinden. Am Abend können sie sich zu einem Schoppen örtlichen Weins bei "Angelos Pizza" treffen - aber vielleicht zieht mancher Surfer auch ein Bier vor? Eine der Marken, die hier verkauft werden, heißt sinnigerweise "Holsteins Beer". Als typisch amerikanisches Kleinstädtchen strotzt Bingen (und vor allem die hässliche Durchgangsstraße) von Autowerkstätten, Tankstellen und Schnellrestaurants - natürlich darf auch McDonalds nicht fehlen. Die Holzindustrie am "Columbia River" überzieht Bingen bei Südwind mit seinem schweren Rauch. Aber der Ort ist nicht so vergangenheitslos wie vieles in Amerika. Das schmuckste Gebäude Bingens, ein prächtiger Holzbau, beherbergt das "Gorge Heritage Museum", in dem (leider nur im Sommer) alles über die Siedlungs- und Naturgeschichte des Flusstales zu erfahren ist. Ein Teil der Bevölkerung scheint sich des deutschen Erbes (oder seiner touristischen Vermarktbarkeit) auch noch bewusst zu sein : eine der besseren Pensionen am Ort nennt sich "The Bingen Haus - Bed & Breakfast", und die Konkurenz vom "Bingen School Inn" legt Wert darauf, Anrainer einer Straße zu sein, die nach dem Naturforscher Alexander von Humboldt benannt wurde. Ob es sich lohnt, der Weine wegen den weiten Weg bis ins ferne Amerika anzutreten, kann bezweifelt werden. Dennoch: Wer einmal in die USA reist und sich ein bisschen wie zu Hause fühlen möchte, sollte das Städtchen auf die Liste seiner Ziele schreiben - und dabei das nahegelegene Husum nicht vergessen. Dass es gar nicht weit entfernt ein Städtchen namens Elbe gibt, ist eine andere Geschichte. |
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Ein etwas verwittertes, aber sichtlich mit Liebe |
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Das "Gorge Heritage Museum" gilt als das |